Herzlich Willkommen auf Büchermeer! Dieser Blog existiert seit Oktober 2014 und wird seitdem manchmal mehr und manchmal weniger intensiv - aber immer mit viel Liebe - geführt! Ich bin Julia - 21 Jahre alt und vor zwei Jahren auf der Reise durch die Eskarpaden des Bildungssystems in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel an der Ostsee gelandet. Während meinen Busfahrten zur Uni (und wieder zurück nach Hause) begleiten mich das gedruckte und digitale Wort fast immer. Auf meinem Blog versuche ich, durch Rezensionen regelmäßig über meine Leseerfahrungen zu berichten. Du willst mehr von mir erfahren? Kein Problem! Dann klicke doch einfach hier! Ach ja: man findet mich übrigens auch auf Instagram, wo es allerhand zu sehen gibt. ;)

Chris Cleave - Lieber Osama

Klappentext
Beim wichtigsten Fußballspiel des Jahres explodieren mitten im Londoner Arsenal-Stadion mehrere Bomben. Tausend Menschen sterben. Massenpanik. Paranoia. Die Stadt ist im Ausnahmezustand. Eine junge Frau verliert bei dem Terroranschlag ihren Mann und ihren Sohn. Nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt und Schockzustand macht sie sich in einem Brief an Osama bin Laden persönlich Luft. Und sie lässt dabei nichts aus...


Rezension
Dieses Buch habe ich mir lange Zeit gewünscht. Denn ich bin nicht nur Freundin von Briefromanen, sondern interessiere mich außerdem für alles rund um das Thema Terror. Klar, dass Cleaves Werk so schnell wie möglich in meinem Regal landen sollte und auch gleich gelesen werden musste. Durchgelesen habe ich den Roman in zwei Zügen, vor wenigen Minuten habe ich den Buchdeckel zugeklappt, die Eindrücke sind noch sehr frisch. Was für eine aufwühlende Geschichte.

Zu Beginn sei gesagt: von einem Briefroman hätte ich etwas anderes erwartet. Während der Lektüre kann der Leser gut vergessen, dass es sich bei dem Geschriebenen eigentlich um einen Brief handelt, nur die Ansprache des Empfängers ab und zu erinnert an den eigentlichen Ausgangspunkt des Romans. Für das Verständnis eines Briefs ist das Erzählte einfach zu lang, denn hier schreibt die Witwe beinahe ihr gesamtes Leben nieder. Der Klappentext verspricht nicht zu viel. Sie lässt tatsächlich nichts aus. Zu Beginn wird ihre Lebenssituation vor dem Anschlag erläutert - das mag nötig sein, zieht sich jedoch schnell in die Länge. Bis es zu dem Anschlag kommt, vergeht seine Zeit.

Die Wendung kommt im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Knall - und plötzlich wird alles anders. Die bildlichen Beschreibungen helfen dem Leser dabei, sich die Vorkommnisse des Terroranschlags vorstellen zu können. Wer schwache Nerven hat, sollte sich diesen Roman lieber nicht durchlesen, denn die Beschreibungen der Folgen der Bomben sind sehr eindringlich, intensiv und rufen unumgänglicherweise Bilder in den Kopf - was jedoch auch nötig ist, denn ein Thema wie Terror sollte nicht mit Samdhandschuhen angefasst werden. Genau das hat Cleave in Lieber Osama auch geschafft - der Roman hinterlässt definitiv Eindruck, auch, wenn man an manchen Stellen mehr als nur einmal schlucken muss. Die Angst der Protagonistin ist zum Greifen nah, gerade durch die Verwendung der Ich-Perspektive wirken viele ihrer Empfindungen auf den Leser äußerst real.

Es ist jedoch schwer, sich mit dieser Frau zu identifizieren - oder allgemein mit den Charaktern, denen wir in diesem Roman begegnen. Jeder von ihnen hat die ein oder andere Leiche im Keller und jeder Sympathiepunkt, der gesammelt werden kann, löst sich im Laufe der Geschichte wieder in Luft auf. In einer Stadt, die plötzlich so von Angst geprägt ist, kann man niemandem trauen. Die Menschen verändern sich. Auf der einen Seite eine sehr interessante Wendung, auf der anderen Seite jedoch unheimlich anstrengend. Man möchte mit keinem der Charaktere so wirklich warm werden. Und irgendwann weigert man sich zudem noch, ihnen zu vertrauen.

Sehr hoch anrechnen muss man Cleave in diesem Fall, dass er aus London eine Stadt gemacht hat, in der man den Terror spürt. Nach dem Anschlag bleibt kein Stein mehr auf dem anderen. Die Atmosphäre einer Großstadtmetropole dreht sich um 180° - und das alles durchleben wir aus den Augen einer Frau, die ihre Familie verlor. Aus den Augen einer Frau, die die Bomben jeden Tag erneut hochgehen sieht. Sie wird mit jedem Tag wahnsinniger, bis schließlich ein fließender Übergang von der Realität in ihre eigene Welt, ihre Paranoia, übergeht. Der Leser weiß nicht mehr, was Wirklichkeit ist. Ein unglaubliches Lesegefühl, bei dem man das Gefühl hat, die Kontrolle gleitet einem aus den eigenen Händen.

Fazit
Lieber Osama ist ein eindrucksvoller Roman, der mir dennoch einfach nicht zusagen wollte - gerade das Ende ließ einige Fragen offen. Die Handlung musste sacken. Gerade auf den letzten Seiten passierte einfach zu viel. Doch auch im Fortlauf der Geschichte zogen sich einige Passagen leider wie Kaugummi, es passierte nichts. Hinzu kommt, dass ich mir unter einem Briefroman leider etwas anderes vorgestellt hatte als eine ganz normale Geschichte - da bin ich anderes gewohnt. Ich hatte mir wirklich viel erwartet und wurde ein wenig enttäuscht, obgleich die Geschehnisse in Lieber Osama sehr realistisch und glaubwürdig vermittelt werden.

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